Sind gute Fachleute auch gute Führungskräfte???

Allzu oft werden in Unternehmen aller Größenordnungen und Ausprägungen die besten Fachleute zu Führungskräften gemacht. Doch das kann oft zu Frust führen, denn Fachkenntnisse haben mit Führungswillen und -talent nichts zu tun.

Wer soll führen? Nicht unbedingt der beste Fachmann im Team.

Unternehmen befördern überwiegend die fachlich besten Mitarbeiter zur Führungskraft – nicht aber diejenigen, die als beste Führungskraft geeignet sind. So zumindest die gängige Praxis in vielen Unternehmen. Ist das sinnvoll und zielführend? Führungskräfte müssen nicht zwingend auch Spezialisten sein und fachlich nicht das können, was ihre Mitarbeiter leisten. Sie müssen nicht der erfolgreichste Verkäufer, der beste Entwickler oder Konstrukteur oder der beste Arbeiter sein. Wie der Name schon sagt, ist bei Führungskräften die vorrangige Aufgabe das Führen eines Teams und der Mitarbeiter.

Wir kennen die Situationen aus dem Sport.
Nicht immer ist der beste Fußballspieler auch gleichzeitig Spielführer.
Nicht aus Spaß heißt der Spielführer ja auch Kapitän.

Es ist ein absolut falscher Irrglaube und ein vollkommen überzogener Anspruch zu glauben, dass Führungskräfte fachliche Vorbilder sein müssen. Welche Konsequenzen kann haben:

Nur mal angenommen, sie machen Ihren besten Konstrukteur zum Konstruktionsleiter. Ihr Konstrukteur hat in den letzten 5 Jahren einen super Job gemacht. Er hat für Sie neue Komponenten für Ihre Maschinen entwickelt und vorhandene Komponenten dramatisch verbessert. Vier Patente konnten durch ihn angemeldet werden. In seinen Projekten leitete er fachlich virtuelle Teams von bis zu 6 Mitarbeitern. Dank seiner Entwicklungen und seines Engagement boomt Ihr Unternehmen, die Qualität hat zugenommen und sie ernennen ihn dafür zum Abteilungsleiter Konstruktion.

Jetzt besteht sein Alltag aus Besprechungen. Er muss Berichte an die Geschäftsführung und Kollegen schreiben, ihnen Rede und Antwort stehen, wenn eine Deadline nicht zu halten ist, etc. Doch wie lange er auch arbeitet, die Papierberge auf seinem Schreibtisch werden nicht weniger. Seine Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nehmen dramatisch ab. War er früher den ganzen Tag damit beschäftigt, zu entwickeln, neue Ideen zu verfolgen oder Spezifikationen zu erstellen, stehen nun Leistungsbeurteilungen der Mitarbeiter auf dem Plan, müssen Mitarbeitergespräche geführt, Krisen gemanaged, Termine überwacht und Konflikte gelöst werden.

So hatte er sich seinen neuen Job nicht wirklich vorgestellt. Das, was er bis vor kurzem noch sehr erfolgreich und mit Freunde und Engagement gemacht hat, nämlich konstruieren, ist nun nicht mehr Bestandteil seiner Aufgabe. Das machen jetzt Kollegen – und aus seiner Sicht vermutlich nicht so gut und erfolgreich wie er es gemacht hat. Seine Aufgabe besteht jetzt darin, seine Mitarbeiter zu befähigen die Arbeit gut zu erledigen. Langsam überkommen ihn Zweifel, ob er dafür Ingenieurswesen studiert hat. Er merkt, dass er immer unzufriedener wird. Frust kommt auf, der sich zunehmend auch auf das Team und sein Privatleben ausdehnt. Fazit: Die Motivation der Kollegen lässt nach und damit die Qualität und der Output.

Was leiten wir daraus ab?

Dieses kleine Beispiel macht klar, dass für eine Führungskraft andere Maßstäbe anzusetzen sind. Nicht die fachliche Qualifikation, sondern die Führungsqualitäten und die Werte sind deutlich höher einzustufen. Die Erfüllung der Werte meint, dass sich die Zufriedenheit bei der Arbeit u.a. daraus ableitet, was ich bei der Arbeit erlebe und empfinde. Verlust von Werten erzeugt Frust und Ärger. Ursprünglich ist Ihr Konstruktionsleiter Ingenieur geworden um sich selbst in einem Produkt zu verwirklichen, um zu tüfteln und seine Kreativität ausleben zu können. Diese Werte schafften für ihn Zufriedenheit und damit letztendlich auch seinen –und Ihren- Erfolg. Diese Werte haben Sie ihm durch die Beförderung genommen. Ergebnis: Enttäuschung, Ärger, Frust, Demotivation und Qualitätsverlust.

Jetzt ist ihr sehr guter Konstrukteur nun mal nur ein mäßiger Vorgesetzter geworden. Der Weg zurück ist nahezu unmöglich – nicht ohne Verlust von Image, Ansehen und Reputation. Ohne professionelle Unterstützung von außen sehr schwierig. Wie vermeiden wir eine solche Situation? Der einzige richtige und vernünftige Weg solche Situationen zu vermeiden ist, sie von vorneherein versuchen zu vermeiden in dem wir die Werte und Ziele unserer Mitarbeiter in die Entwicklungspläne mit einbeziehen. Es gibt durchaus Mitarbeiter, die keine Führungsverantwortung wollen, die ihre Zufriedenheit und ihre Erfüllung aus der momentanen Aufgabe gewinnen. Personalführung ist für sie nicht vorstellbar, zwischenmenschliche Herausforderungen lästig.

Für diejenigen, die sich eine Führungsverantwortung vorstellen können, sollten wir die Möglichkeit bieten, führen zu lernen und in die Verantwortung hineinzuwachsen. Hierzu bieten sich interne und externe Möglichkeiten. Grundsätzlich aber sollten Führungskräfte sich daran gewöhnen, nicht durch fachliche Kompetenz, sondern durch Managementkompetenz und Persönlichkeit zu führen. Vorbild zu sein, Werte zu vertreten, sozial engagiert und empathisch zu sein. Sie müssen die Fähigkeit entwickeln zu abstrahieren und ihre Kollegen und Mitarbeiter motivierend anzuleiten und zu steuern.

Aller ist erlernbar, wenn man es wirklich will. Führen kann und muss Spaß machen. Dann ist die Führungskraft mit ihrem Team auch erfolgreich. Die Grundlage jedoch ist der Wille mit Menschen umgehen zu wollen und anzuerkennen, dass es durchaus Mitarbeiter geben kann, die fachlich besser sind.

Nicht der beste Fußballspieler ist Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, sondern der mit der höchsten Führungskompetenz und dem Willen, Vorbild zu sein.